Donnerstag, 22. September 2016

Beginn einer Maßnahme, ihr Abbruch und die Konsequenzen

Beginn einer Maßnahme, ihr Abbruch und die Konsequenzen
In eigener Sache …

Am 11.07.2016 bin ich vom Jobcenter widerrechtlich, d.h., ohne eine Verhandlung darüber gehabt zu haben, mit einem Verwaltungsakt beglückt worden. (S. hier >> )

Inhalt war, dass ich mir einen Coach zum Einzelcoaching zu suchen und bis zum 31.07.16 eine Rückmeldung bezüglich der Rechercheergebnisse zu geben habe. (S. hier >> , Punkt 1)

Zum Stichtag der erwarteten Rückmeldung habe ich mitgeteilt, dass ich die Suche unterlassen habe, u.a. weil die Zielrichtung nicht stimmt! Bei mir gehe es bekanntermaßen NICHT um die Eingliederung in den sog. "Arbeitsmarkt" sondern um die Abschaffung des so menschenrechts- wie verfassungswidrigen Hartz-IV-Systemes. (S. hier >> )

Erstaunlicherweise hat das Jobcenter die ABSAGE der "Pflichterfüllung" als ERFÜLLUNG meiner Pflicht gewertet und, ohne irgendwie auf die von mir vorgebrachten Gründe (s. hier >> ) einzugehen, statt der von mir erwarteten Sanktion nur eine weitere Maßnahme zum Coaching über mich verhängt. (S. hier >> )

Noch erstaunlicherer Weise (grins) habe ich da zum ersten Mal nicht nein gesagt, sondern die Maßnahme ANGETRETEN.  

Freunde von mir hatten geschrieben, ich solle die Maßnahme unbedingt antreten und gehofft:
"Ich wette, der Maßnehmer ist spätestens am dritten Tag krank - oder die meisten anderen Teilnehmer nicht mehr in der Maßnahme."

Das war aber nicht mein Ziel …
MEIN Ziel war, eine unabhängige Begutachtung über meine Arbeitsfähigkeiten zu erhalten und damit im Jobcenter – und auch später für das Gericht – jeden Zweifel auszuräumen, ob man mich vermitteln könne/müsse.

Es bescheinigt mir in schönster Weise uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit für den sog. ersten Arbeitsmarkt
Als Vermittlungshemmnis gibt es an, dass ich Hartz IV für verfassungswidrig halte, mich mit der Eingliederung des Sozialsystems in den Rahmen der Verfassung vollbeschäftigt sehe,
und als Perspektive, dass ich auf Klärung durch das BVerfG hoffe und (bis dahin) meine staatsbürgerlichen Rechte des Widerstandes nutze …
(S. hier >> )

Drei Dinge sind damit gewonnen:
- Erstens nimmt das Gutachten mit der Einschätzung, dass ich ohne Einschränkung arbeitsfähig bin, dem Jobcenter die Möglichkeit, mich irgendwie "schonend" zu behandeln oder den Konflikt zu umsteuern, wie sich das nach unseren letzen Konflikt (132 Tage hungern, anschließendes Kirchenasyl etc. >> ) eingeschlichen hat,
- zweitens gibt es klar und deutlich Gründe, Weg und Zielrichtung meines "Widerstandes" an,
- und drittens ist damit die mir aufgezwungene Eingliederungsvereinbarung erledigt, deren Ziel ja
"Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
durch Unterstützung mit einem individuellen Einzelcoaching"
war.

Die vom Jobcenter so freundlich eingegangene "Selbstverpflichtung", mir ein individuelles Einzelcoaching zu gewähren - auch der von der Arbeitsvermittlerin später nachgereichte Zweck, durch die Maßnahme für das Jobcenter
"eine Konkretisierung ggf. notwendiger weiterer Unterstützungsangebote"
zu erhalten (siehe hier >> ) - ist mit dem Gutachten wohl erfüllt.

Wir dürfen also neu verhandeln.

Damit die Verhandlung auch gut in Gang kommt (grins), habe ich die Maßnahme nach einer Woche abgebrochen. Sie hätte vier Wochen statt einer Woche dauern sollen … (S. hier >> )
 
Widerstand lebt von der Provokation (Gandhi) –
In meinem Fall soll das aber keine blindwütige und zerstörerische Provokation, sondern eine entschiedene, mit einer wohltätigen und klaren Perspektive sein.
Eine solche Perspektive lebt in meiner Seele.
Ich steuere sie jetzt
- verstärkt durch die Mittel, die das Jobcenter mir jetzt zusätzlich gegeben hat durch 1.) das ärztlichen Gutachten aus dem Januar und  2.) das jetzige Gutachten über meine Arbeitsfähigkeit -
an.
 
Ich werde davon berichten …  

Sonntag, 18. September 2016

Lebensmittelgutscheine ... eine Hilfe für Sanktionierte ?

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Lebensmittelgutscheine ... eine Hilfe für Sanktionierte ?
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Liebe Freunde,
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ich habe meine Auffassung der Menschenrechts- und Verfassungswidrigkeit dieser Ersatzleistungen, die ich vor einem Jahr schon einmal gewissermaßen für UNS formuliert habe, jetzt für die Richter neu verfasst.
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Aus dem Inhalt:
  • "Die Gutscheine dienen dem Staat und den Behörden als letzte Legitimation für das gesamte Sanktionswesen!
  • Selbst eine 100%-Sanktion: das Wegkürzen von Wohnung, Krankenkasse und des Geldes für den Lebensunterhalt, sei unbedenklich – weil durch die Vergabe der Gutscheine die Würde des Menschen weiter geschützt sei!
  • Im Text in einer meiner Gerichtsakten heißt es:
  • "Die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Sanktionsrechtes ergibt sich schließlich auch daraus, dass der Gesetzgeber selbst bei vollständigem Wegfall der Leistungen eine "letzte Grundversorgung" sicherstellt. Durch ein differenziertes Regelungssystem wahrt der Gesetzgeber das Existenzminimum des Betroffenen. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes um mehr als 30 Prozent KANN der Träger AUF ANTRAG in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen." (S. AZ S 147 AS /13 ER 1 - Sperrungen im Text von mir, RB)
  • So schön das klingt, werden folgende Probleme dabei ausgeblendet:
  • Erstens ist nicht geklärt, wie das Existenzminimum von derzeit 400 Euro plus Wohnkosten plus Krankenkasse durch eine Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen im Wert von 200 Euro gedeckt sein soll.
  • Zweitens besteht die Frage, ob es überhaupt eine verfassungsrechtlich denkbare oder zulässige Unterscheidung zwischen einem "Existenzminimum" und einer "letzten Grundversorgung" gibt – und eine Berechtigung, nur Letztere zu gewähren!
  • Im obigen Zitat aus der Gerichtsakte werden die Worte "Existenzminimum" und "letzte Grundversorgung" einfach synonym verwendet – und damit so getan, als wäre der verfassungsrechtlich geklärte Begriff des menschenwürdigen soziokulturellen Existenzminimums mit dem verfassungsrechtlich völlig ungeklärten Begriff der "letzten Grundversorgung" gleichzusetzen - für mich ein Symptom mindestens für fehlendes Problembewusstsein."
Usw.  usf. ...
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Samstag, 17. September 2016

Geisteskampf im Vorfeld einer Verhandlung

Geisteskampf im Vorfeld einer Verhandlung

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Es ist ein eigentümliches Gefühl, einen Richter, der partout einen 08/15-Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung durchsetzen möchte, zu einer Verhandlung zu drängen. 
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Nachdem er am 28.07.2016 meine Klage zur vierten 100-Prozent-Sanktion für unzulässig erklärt und mich aufgefordert hatte, sie zurück zu nehmen -
nachdem ich dem so herzlich wie entschieden widersprochen habe,
hat er am 22.08.2016 erneut angekündigt, die Klage ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.
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Zur Antwort habe ich die Klage um entscheidende Punkte erweitert und geschrieben:
  • "Kann sein, dass das alles, wie schon so vieles von mir Vorgetragene, nicht interessiert, weil es in den Rahmen des Gesetzes, welches derzeit gilt, nicht passt. Von Jobcenter und Gericht wird ja immer wieder behauptet, dass ich "keine objektiven" – oder sogar "keine" Gründe für mein Handeln und meine Klagen angäbe …
  • Es scheint mir dabei allerdings immer übersehen zu werden, dass bei einer Normenkontrollklage ANDERE Verhältnisse als bei einer "normalen" Klage gelten. Die Gründe, auf die in einer Normenkontrollklage verwiesen wird, können ihrer Natur nach NICHT INNERHALB der gesetzlichen Vorgaben liegen, wie das bei anderen Klagen vielleicht angemessen ist.
  • "Objektiv" sind da nicht die Gründe, die innerhalb des SGB II gelten -
    sondern die, die IN DER WIRKLICHKEIT gelten – UNABHÄNGIG von jedem von Menschen und Interessengruppen eingerichteten "Gesetz".
  • Die Verkennung des Bezugsrahmens meiner Klage scheint mir die hauptsächliche Ursache all der bisher geäußerten Ablehnungen zu sein."

Bezüglich seiner Absicht, mir keine Verhandlung zu gewähren, habe ich hinzugefügt:
  • "Angesichts des Ernstes der Sache und der Tatsache, dass ich auf dem Felde der Justiz und der Gerichte LERNENDER bin, werden Sie hoffentlich verstehen, dass ich mir die SCHULE der Begegnung und des Gesprächs mit Ihnen nicht nehmen lassen möchte.
  • Aus diesem Grunde möchte ich hiermit auch noch den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen."

Ich denke nicht, dass das Sympathie bei ihm erregt. Zu meiner / unserer Übung in der Sache ist das aber unerlässlich.

Herzlichst, euer Ralph


Donnerstag, 8. September 2016

Zur Hammer-Attacke in Dietzenbach - Version 2


Zur Hammer-Attacke in Dietzenbach  -  Version 2
      

"Hammer-Attacke in Jobcenter Dietzenbach
Ein Mitarbeiter des Jobcenters in Dietzenbach (Offenbach) ist am Donnerstagmittag von einem Klienten mit einem Hammer angegriffen worden. Nach Informationen von hr-iNFO soll der 51-jährige Angreifer dem Mitarbeiter in dessen Büro mehrfach mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen haben.
Der 64 Jahre alte Angestellte wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er sofort operiert wurde. Der Klient war offenbar ein Kursteilnehmer, der Jobcenter-Mitarbeiter sein Trainer."
 
Diese Nachricht ging am 01.09.2016 durch die Presse.
Gestern wurde ich angerufen - und gefragt, warum ich mich dazu noch nicht geäußert habe. Auch überall sonst werde zu dieser Nachricht geschwiegen ...

Nun, die Sache ist zwiespältig:

Zum einen ist zu sagen, dass der Vorfall - als BILD genommen - sehr "sprechend" ist.
Wie oft haben wir erlebt, dass auf unsere Argumente nicht eingegangen wird ... Es gilt sogar, dass je besser unsere Argumente sind, sie desto sicherer übergangen werden.
(S. z.B. hier >>)
Und da wäre es verwunderlich, wenn nicht JEDER, der solche Erlebnisse hat, die Richtigkeit des BILDES, welches sich durch die Nachricht ausspricht, sofort versteht.

Nun, etwas, das BILDHAFT richtig ist, ist es noch längst nicht in der äußeren Realität ... [1]
Da muss man unterscheiden.
Und unter diesem Gesichtpunkt ist die Sache anders zu bewerten.

Das erste ist, dass wir nicht wissen, was wirklich vorgefallen ist. Die Meldung ist zu dünn, als dass wir uns irgend ein echtes Urteil über den realen Fall erlauben könnten. Nur die allgemeine Tatsache, dass die Spannung zwischen den Hartz-IV-Betroffenen und den Jobcentermitarbeitern durch die menschenverachtenden und jetzt auch verschärften Gesetze immer mehr erhöht wird, können wir konstatieren. Und feststellen, dass es eigentlich verwunderlich ist, dass bei dem permanent ansteigenden Gewaltaufgebot von Seiten des Staates und der Behörde die Gegenattacken bisher nicht schon nicht viel stärker ausgefallen sind.
 
Das zweite ist, dass auch die Mitarbeiter der Jobcenter unter Druck stehen. Die Unmenschlichkeit der Hartz-IV-Gesetze betrifft nicht nur die Hartz-IV-Empfänger sondern wirkt sich auch innerhalb der Jobcenter aus.
 
Einen kleinen Einblick, wie sehr auch die Mitarbeiter der Jobcenter unter Druck sind und zu ihren Denkblockaden erzogen, ja genötigt werden, bekommt man, wenn man die internen Dienstanweisungen zum Umgang mit den Sanktionen und den Sanktionierten liest:
 
Unter "3. Handlungsauftrag an die Leistungsträger bzw. die Jobcenter" steht dort z.B.:
 
In der Regel treten sanktionsrelevante Tatbestände während des laufenden Integrationsprozesses – in der Interaktion zwischen der/dem persönlichen Ansprechpartner/in und der leistungsberechtigten Person - auf.
Dem Leistungsträger/Jobcenter steht kein Ermessen darüber zu, ob eine Sanktion eintritt oder nicht. Die Behörde hat nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 20 ff. SGB X) festzustellen, ob der Tatbestand für eine Sanktion vorliegt. Ist das der Fall, treten die Rechtsfolgen kraft Gesetzes ein. Erst als Folge des Eintritts der Sanktion besteht im Rahmen von Ermessensentscheidungen die Möglichkeit, bestimmte Leistungen (wieder) zu erbringen oder die Sanktion zeitlich zu begrenzen.
Die Leistungsträger bzw. Jobcenter haben also insoweit keinen Spielraum im Hinblick auf geschäftspolitische Absichten oder sozialpolitische Auffassungen. (...)
Auf den Eintritt der Sanktion (darf) nicht verzichtet werden, wenn der Tatbestand festgestellt worden ist. Dem entgegen stehende Entscheidungen sind rechtswidrig. 
 
Und unter "5. Das soziale Gewissen" ist geschrieben:
 
Die Sanktionsvorschriften berühren häufig das soziale Empfinden. Betroffene empfinden den Eintritt einer Sanktion oft als diskriminierend. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußern zuweilen Verständnis. Dennoch muss die Entscheidung über den Eintritt einer Sanktion sich ausschließlich an der Rechtslage orientieren. Die Sanktionsvorschriften beruhen auf einer parlamentarischen Entscheidung, an die die Bundesagentur für Arbeit als ausführende Behörde gebunden ist. (…)
Die Übereinstimmung der Vorschriften mit dem ansonsten geltenden (übergeordneten) Recht ist allein den Gerichten vorbehalten. (...)
[Alle Sperrungen von mir, RB]

Diese Anweisungen stammen aus dem Jahr 2012. Inzwischen dürften sie wesentlich verschärft sein. Schon in ihnen sieht man aber, wie die Mitarbeiter der Jobcenter bewusst zu ihren Denkblockaden erzogen werden und muss sich dann über die traurigen Resultate nicht wundern.
 
Wir haben es hier mit  Anweisungen zur Aufgabe der Eigenverantwortung im dienstlichen Handeln zu tun!
 
Dass solche Anweisungen nach dem dritten Reich
– und vor allem auch, nachdem Hannah Ahrend in ihrem "Bericht von der Banalität des Bösen" die dahinter liegende Haltung als die grundlegende Technik des Bösen beschrieben hat, als die grundlegende Technik, wie das radikal Böse innerhalb staatlicher Strukturen entsteht –
prinzipiell geächtet gehören, ist das eine.
 
Das andere ist, dass da der Hammer natürlich gegen ein unbelehrbares System - aber nicht gegen die Köpfe einzelner Mitarbeiter geführt werden muss.

Jeder Mensch – sowohl wir selbst (was uns vielfach noch verboten ist) als aber auch der Staatsbedienstete und Beamte – muss das Recht bekommen, DIREKT UND UNMITTELBAR im Sinne der Menschenrechte und des Grundgesetzes tätig zu sein und sein Handeln DIREKT UND UNMITTELBAR im Sinne der Menschenrechte und des Grundgesetzes zu begründen - und darf nicht, wie das heute massiv der Fall ist, von dazwischen geschalteten "Gesetzen" und "Verwaltungsvorschriften" GEHINDERT sein.

Dass unsere Gesetze und Verwaltungsvorschriften DEM NOCH NICHT entsprechen, dass sie noch weitestgehend vom Grundgesetz ABGESCHOTTET sind, ist eine Folge des Einwirkens der nach dem Krieg übrig Gebliebenen in der Gesetzgebung, den Verwaltungen und den Gerichten. Selbst wenn sie dem Grundgesetz POSITIV gegenüber empfunden hätten - was selten der Fall war - hätten sie noch nicht die Kraft gehabt, das Rechts- und Verwaltungssystem dem Grundgesetz entsprechend auszugestalten.

DIESE Aufgabe obliegt jetzt UNS!
Wie Sie aber zu leisten, ist ein noch schmerzliches Geheimnis.


Berlin, den 08.09.2016
Ralph Boes


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ad [1]: Ein anderes Beispiel ist die Karikatur




Mittwoch, 7. September 2016

Zur Hammer-Attacke in Dietzenbach - Version 1

Zur Hammer-Attacke in Dietzenbach  -  Version 1
      

"Hammer-Attacke in Jobcenter Dietzenbach
Ein Mitarbeiter des Jobcenters in Dietzenbach (Offenbach) ist am Donnerstagmittag von einem Klienten mit einem Hammer angegriffen worden. Nach Informationen von hr-iNFO soll der 51-jährige Angreifer dem Mitarbeiter in dessen Büro mehrfach mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen haben.
Der 64 Jahre alte Angestellte wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er sofort operiert wurde. Der Klient war offenbar ein Kursteilnehmer, der Jobcenter-Mitarbeiter sein Trainer."
 
Diese Nachricht ging am 01.09.2016 durch die Presse.
Gestern wurde ich angerufen - und gefragt, warum ich mich dazu noch nicht geäußert habe. Auch überall sonst werde zu dieser Nachricht geschwiegen ...

Nun, die Sache ist zwiespältig:

Zum einen ist zu sagen, dass der Vorfall - als BILD genommen - sehr "sprechend" ist.
Wie oft haben wir erlebt, dass auf unsere Argumente nicht eingegangen wird ... Es gilt sogar, dass je besser unsere Argumente sind, sie desto sicherer übergangen werden.
(S. z.B. hier >>)
Und da wäre es verwunderlich, wenn nicht JEDER, der solche Erlebnisse hat, die Richtigkeit des BILDES, welches sich durch die Nachricht ausspricht, sofort versteht.

Nun, etwas, das BILDHAFT richtig ist, ist es noch längst nicht in der äußeren Realität ... [1]
Da muss man unterscheiden.
Und unter diesem Gesichtpunkt ist die Sache anders zu bewerten.

Das erste ist, dass wir nicht wissen, was wirklich vorgefallen ist. Die Meldung ist zu dünn, als dass wir uns irgend ein echtes Urteil über den realen Fall erlauben könnten. Nur die allgemeine Tatsache, dass die Spannung zwischen den Hartz-IV-Betroffenen und den Jobcentermitarbeitern durch die menschenverachtenden und jetzt auch verschärften Gesetze immer mehr erhöht wird, können wir konstatieren. Und feststellen, dass es eigentlich verwunderlich ist, dass bei dem permanent ansteigenden Gewaltaufgebot von Seiten des Staates und der Behörde die Gegenattacken bisher nicht schon nicht viel stärker ausgefallen sind.
 
Das zweite ist, dass auch die Mitarbeiter der Jobcenter unter Druck stehen. Die Unmenschlichkeit der Hartz-IV-Gesetze betrifft nicht nur die Hartz-IV-Empfänger sondern wirkt sich auch innerhalb der Jobcenter aus.
 
Einen kleinen Einblick, wie sehr auch die Mitarbeiter der Jobcenter unter Druck sind und zu ihren Denkblockaden erzogen, ja genötigt werden, bekommt man, wenn man die internen Dienstanweisungen zum Umgang mit den Sanktionen und den Sanktionierten liest:
 
Unter "3. Handlungsauftrag an die Leistungsträger bzw. die Jobcenter" steht dort z.B.:
 
In der Regel treten sanktionsrelevante Tatbestände während des laufenden Integrationsprozesses – in der Interaktion zwischen der/dem persönlichen Ansprechpartner/in und der leistungsberechtigten Person - auf.
Dem Leistungsträger/Jobcenter steht kein Ermessen darüber zu, ob eine Sanktion eintritt oder nicht. Die Behörde hat nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 20 ff. SGB X) festzustellen, ob der Tatbestand für eine Sanktion vorliegt. Ist das der Fall, treten die Rechtsfolgen kraft Gesetzes ein. Erst als Folge des Eintritts der Sanktion besteht im Rahmen von Ermessensentscheidungen die Möglichkeit, bestimmte Leistungen (wieder) zu erbringen oder die Sanktion zeitlich zu begrenzen.
Die Leistungsträger bzw. Jobcenter haben also insoweit keinen Spielraum im Hinblick auf geschäftspolitische Absichten oder sozialpolitische Auffassungen. (...)
Auf den Eintritt der Sanktion (darf) nicht verzichtet werden, wenn der Tatbestand festgestellt worden ist. Dem entgegen stehende Entscheidungen sind rechtswidrig. 
 
Und unter "5. Das soziale Gewissen" ist geschrieben:
 
Die Sanktionsvorschriften berühren häufig das soziale Empfinden. Betroffene empfinden den Eintritt einer Sanktion oft als diskriminierend. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußern zuweilen Verständnis. Dennoch muss die Entscheidung über den Eintritt einer Sanktion sich ausschließlich an der Rechtslage orientieren. Die Sanktionsvorschriften beruhen auf einer parlamentarischen Entscheidung, an die die Bundesagentur für Arbeit als ausführende Behörde gebunden ist. (…)
Die Übereinstimmung der Vorschriften mit dem ansonsten geltenden (übergeordneten) Recht ist allein den Gerichten vorbehalten. (...)
[Alle Sperrungen von mir, RB]

Diese Anweisungen stammen aus dem Jahr 2012. Inzwischen dürften sie wesentlich verschärft sein. Schon in ihnen sieht man aber, wie die Mitarbeiter der Jobcenter bewusst zu ihren Denkblockaden erzogen werden und muss sich dann über die traurigen Resultate nicht wundern.
 
Wir haben es hier mit  Anweisungen zur Aufgabe der Eigenverantwortung im dienstlichen Handeln zu tun!
 
Dass solche Anweisungen nach dem dritten Reich
– und vor allem auch, nachdem Hannah Ahrend in ihrem "Bericht von der Banalität des Bösen" die dahinter liegende Haltung als die grundlegende Technik des Bösen beschrieben hat, als die grundlegende Technik, wie das radikal Böse innerhalb staatlicher Strukturen entsteht –
prinzipiell geächtet gehören, ist das eine.
 
Das andere ist, dass da der Hammer natürlich gegen ein unbelehrbares System - aber nicht gegen die Köpfe einzelner Mitarbeiter geführt werden muss. Sie sind Erpresste und Gegängelte wie wir. Nur auf der anderen Seite.


Berlin, den 07.09.2016
Ralph Boes


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ad [1]: Ein anderes Beispiel ist die Karikatur